6. Februar 2019
Im Oktober 2018 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einen Referentenentwurf zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechte-Richtlinie (EU) 2017/828(ABl. EU 2017 L 132/1) vorgelegt. Insgesamt bleibt er hinter den in der Richtlinie grundsätzlich vorgesehenen Möglichkeiten zur Stärkung der Aktionärsrechte zurück, bevorzugt stattdessen eine behutsame Überführung der EU-rechtlichen Vorgaben in das deutsche Aktienrecht. Die wesentlichen im Entwurf vorgesehenen Änderungen des geltenden Rechtsrahmens skizzieren im Folgenden THEOPARK-Partner Gernot Giesecke und Rechtsreferendar Dr. Raphael Pompl.
I. Die Leitlinien des Entwurfs: Aktionärsmitbestimmung und Transparenz
Im Mittelpunkt des Referentenentwurfs steht – im Einklang mit der bis 10.06.2019 umzusetzenden EU-Richtlinie – eine Stärkung der Mitbestimmungsrechte der Aktionäre und die Schaffung von Transparenz. So sieht der Entwurf insbesondere verpflichtend durchzuführende Voten der Hauptversammlung über die Vergütung des Vorstands vor (s.u. II.). Eine Neuregelung der Rechte der börsennotierten Gesellschaft zur Aktionärsidentifikation gegenüber Intermediären (z.B. depotführende Kreditinstitute; näher dazu u. III.) soll die Kommunikation der Gesellschaften mit ihren Aktionären verbessern („Know your Shareholder“); außerdem soll der Informationsfluss zwischen Gesellschaft und Aktionären durch Informationspflichten derjenigen Intermediäre, die Aktien verwahren, erleichtert werden. Auch für institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater sollen durch den Entwurf verschiedene Transparenzpflichten (s.u. III.) im Aktiengesetz verankert werden. Daneben ist in Bezug auf Geschäfte einer Aktiengesellschaft mit nahestehenden Unternehmen und Personen, die einen bestimmten Schwellenwert überschreiten, ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Aufsichtsrats vorgesehen (s.u. IV.).
II. Votum der Hauptversammlung über die Vorstandsvergütung („Say on Pay“)
Der unionsrechtliche Richtlinien-Überbau sieht ein Votum der Hauptversammlung über die sog. Vergütungspolitik als abstrakte Rahmenregelung, auf deren Basis die konkrete Vergütung der Unternehmensleitung festgelegt wird, sowie über einen Vergütungsbericht, der vergangene Zahlungen offenlegt, vor. Diese Vorgaben sollen nach dem Referentenentwurf in den neu ins Aktiengesetz einzufügenden §§ 87a, 120a und 162 umgesetzt werden. Das Justizministerium bevorzugt dabei turnusmäßig verpflichtende Abstimmungen der Hautversammlung über die vom Aufsichtsrat vorzulegende Vergütungspolitik für die Vorstandsmitglieder und den Vergütungsbericht mit einer eher „weichen“ Wirkung: Das Votum der Hauptversammlung soll mithin lediglich beratenden Charakter haben. Der Entwurf entscheidet sich damit bewusst gegen die in der Richtlinie ebenfalls vorgesehene Möglichkeit eines Votums mit verpflichtenden Beschlussfolgen und belässt die Kompetenz zur Entwicklung und verbindlichen Festsetzung des Vergütungssystems weiter beim Aufsichtsrat.
In der Sache ändert der Vorschlag damit nur wenig im Vergleich zum geltenden Recht, das in § 120 Abs. 4 AktG bereits jetzt eine fakultative Abstimmung ohne Bindungswirkung vorsieht. Die vorgeschlagene Neuregelung ist allerdings nicht das gänzlich „stumpfe Schwert“ für die Aktionäre, für das man sie auf den ersten Blick halten mag: Einerseits wäre die Durchführung der Abstimmung danach nunmehr verpflichtend; andererseits würde die Entscheidung der Hauptversammlung zumindest eine implizite Bindungswirkung entfalten, da nach einer Ablehnung in der darauf folgenden Hauptversammlung eine überarbeitete Vergütungspolitik durch den Aufsichtsrat vorzulegen wäre. Das Letztentscheidungsrecht läge allerdings in der Tat weiter beim Aufsichtsrat, wobei der Referentenentwurf davon ausgeht, dass sich dieser faktisch in aller Regel am Votum der Anteilseigner orientieren wird; das ist wegen der Personalkompetenz der Hauptversammlung hinsichtlich des Aufsichtsrats nicht unplausibel. Eine Billigung durch die Hauptversammlung würde umgekehrt nicht zu dessen Enthaftung führen, sodass die materiellen Vorgaben an die Vorstandvergütung von ihm auch in Zukunft eigenverantwortlich einzuhalten wären (§§ 116 S. 3, 87 AktG).
Aus Aktionärssicht mag die Entscheidung des Justizministeriums bedauerlich sein, die Mitbestimmungsrechte der Hauptversammlung zugunsten einer schonenden Einfügung der unionsrechtlichen Vorgaben in die dualistische deutsche Kompetenzhierarchie zwischen Vorstand und Aufsichtsrat weniger schlagkräftig auszugestalten, als dies aufgrund der Richtlinie möglich gewesen wäre. Für die Gesellschaften wird hierdurch allerdings das Risiko minimiert, dass mehrheitsfähige Aktionärsgruppen durch die Steuerung der Vergütungspolitik den Vorstand dahingehend unter Druck setzen könnten, zulasten der langfristigen Stabilität der Unternehmensentwicklung kurzfristige Erfolge zu erzielen (bei börsennotierten Gesellschaften häufig als „Quartalsdenken“ bekannt).
III. Transparenzregelungen im Entwurf
Als weitere Neuerung sieht der Gesetzentwurf die Einfügung transparenzbezogener Neuregelungen in das Aktiengesetz (§§ 67a ff. AktG-E) vor – insbesondere eine Legaldefinition von Intermediären und Intermediären in der Kette, d.h. solchen Personen, die Gesellschaftsaktien für Aktionäre bzw. einen anderen Intermediär verwahren (§ 67a Abs. 4, 5 AktG-E; z.B. Depotbanken oder Investmentunternehmen). Börsennotierte Gesellschaften sollen danach einen Informationsanspruch (§ 67d AktG-E) gegen ihre Intermediäre in Bezug auf Aktionärsdaten (insbesondere Name, Geburtsdatum, Anschrift, gehaltene Aktien) erhalten; nicht-börsennotierten Gesellschaften wird es freigestellt, ob sie in ihre Satzung ebenfalls ein entsprechendes Auskunftsrecht aufnehmen. Außerdem sollen die zwischengeschalteten Aktienverwalter nach §§ 67a, 67b AktG-E verpflichtet sein, Informationen, die sie von der Aktiengesellschaft erhalten (z.B. über die Einberufung der Hauptversammlung), an die Aktionäre weiterzuleiten, deren Aktien sie verwahren; das gleiche gilt in Gegenrichtung für die Übermittlung der von den Aktionären erhaltenen Informationen, die unverzüglich (ggf. über Intermediäre in der Kette) an die Gesellschaft weiterzuleiten sind (§ 67c AktG-E). Die zur Erfüllung der Übermittlungspflichten notwendigen Aufwendungen der Intermediäre hätte dabei die Gesellschaft zu tragen (§ 67f AktG-E).
Daneben finden sich Neuregelungen für institutionelle Anleger, Stimmrechtsberater und Vermögensverwalter (§§ 134a ff. AktG-E), die eine stärkere Ausrichtung ihrer Tätigkeit an den Interessen der Anleger sicherstellen und diesen dadurch eine wirksame Kontrolle ermöglichen sollen. Der Entwurf knüpft dabei klar am sog. Comply-or-Explain-Prinzip an, wonach die erfassten Stellen Informationen über die Wahrnehmung der Anlegerinteressen veröffentlichen oder die Nichtveröffentlichung öffentlich erklären müssen. Institutionelle Anleger und Vermögensverwalter sollen insbesondere ihr Verhalten bei Abstimmungen in den Gesellschaften mit nicht nur unbedeutender Beteiligung bzw. unbedeutendem Abstimmungsgegenstand öffentlich bekanntmachen oder den Verzicht auf die Bekanntmachung erklären; im Interesse eines ungehinderten Zugriffs der interessierten Personenkreise sollen die Informationen dabei auf der Website der jeweiligen Stelle kostenlos einsehbar sein. Stimmrechtsberater sollen nach dem Entwurf künftig entweder erklären, ob und inwieweit sie den Vorgaben eines Verhaltenskodex entsprechen oder (soweit dies nicht der Fall ist) erklären, warum sie davon abweichen.
IV. Geschäfte mit nahestehenden Personen
Die §§ 111a ff. AktG-E sollen – über die im Aktienrecht hierzu bislang nur rudimentär vorgesehenen Schutzmechanismen (z.B. § 52, § 112 AktG) hinaus – der Gefahr vorbeugen, dass durch Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen oder Personen Vermögenswerte der Gesellschaft zum Nachteil ihrer Aktionäre übertragen werden. Entsprechende Geschäfte, deren wirtschaftlicher Wert allein oder zusammen mit den mit derselben Person innerhalb der letzten zwölf Monate getätigten Geschäfte 2,5 % der Summe aus dem Anlage- und Umlaufvermögen der Gesellschaft übersteigt, sollen danach in Zukunft einem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats unterliegen; als nahestehende Personen persönlich an dem Geschäft beteiligte Aufsichtsratmitglieder sollen dabei aufgrund des damit einhergehenden Interessenkonflikts nicht an der Beschlussfassung des Aufsichtsrats mitwirken können. Die Hauptversammlung soll – angelehnt an die Bestimmung des § 111 Abs. 4 S. 3 AktG – insoweit nur subsidiär (mindestens mit einfacher Mehrheit) beschließen, wenn der Aufsichtsrat die Zustimmung versagt, und der Vorstand ihre Einschaltung beschließt. In zeitlicher Hinsicht muss die Zustimmung ausweislich der Entwurfsbegründung vor Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts erteilt werden. Daneben sind die vom Zustimmungserfordernis erfassten Geschäfte unverzüglich öffentlich bekannt zu machen (§ 48a Abs. 1 WpHG-E), wobei die Formulierung der Gesellschaft einen kleinen zeitlichen Spielraum um den Abschluss herum belässt.