26. Februar 2020
Rückforderung von monatlich gezahlten Leistungen an Familienangehörige durch den Sozialhilfeträger
Am 13.02.2020 (Az.: 6 U 76/19) hat das Oberlandesgericht Celle entschieden, dass ein Sozialhilfeträger die monatlich geleisteten Zahlungen an Familienangehörige zum Kapitalaufbau zurückfordern kann, falls der Schenker selbst bedürftig wird und Leistungen von einem Sozialhilfeträger bezieht. Nach der Auffassung des OLG Celle handelt es sich, im Gegensatz zu der Auffassung des vorinstanzlichen Landgerichts, bei wiederkehrenden Zuwendungen zum Kapitalaufbau um keine Anstandsschenkung. THEOPARK-Partner Mathias Becker kommentiert das Urteil.
Neben der monatlichen Taschengeldzahlung ist es in vielen Familien gang und gäbe regelmäßig Geldbeträge auf ein Sparkonto einzuzahlen, damit die Begünstigten nach einer gewissen Zeit darauf zurückgreifen können. So ähnlich gestaltete sich auch der dem OLG Celle vorgelegte Sachverhalt. Eine Großmutter hatte für ihre Enkel ein Sparkonto angelegt und auf dieses dann für einen Zeitraum von neun bzw. elf Jahren jeweils 50 Euro pro Monat eingezahlt. Die Rente der Großmutter betrug 1.250 €.
Bei ihrer Unterbringung in eine Pflegeeinrichtung waren die monatlichen Zahlungen an ihre Enkel schon eingestellt. Unabhängig davon konnte sie die Kosten für die Heimunterbringung nicht aus eigenen Mitteln tragen, weswegen ein Sozialhilfeträger einspringen musste. Dieser forderte nun vor dem Oberlandesgericht die Rückzahlung des angesparten Geldes von den Enkeln und hatte damit Erfolg. Zu seinen Gunsten wurde ein gesetzlicher Rückforderungsanspruch aus §§ 528 Abs. 1 S. 1, 812 BGB festgestellt, der gemäß § 93 SGB XII auf den Sozialhilfeträger übergegangen ist.
Ein solcher Anspruch wäre jedoch ausgeschlossen, wenn es sich bei den monatlichen Zuwendungen um „privilegierte“ Schenkungen im Sinne des § 534 BGB handeln würde, insbesondere um eine sog. „Anstandsschenkung“. In diese Richtung argumentierten die Enkel vergeblich. Nach ihrer Auffassung, welche auch das Landgericht teilte, handle es sich bei den vorliegenden Zuwendungen, wie bei Geburtstags- und Weihnachtsgeld, um genau solche, privilegierte Anstandsschenkungen. Das OLG Celle begründet seine abweichende Auffassung damit, dass es sich zum einen nicht um ein Gelegenheitsgeschenk handle, da in dem vorliegenden Fall nicht aufgrund eines bestimmten Anlasses geschenkt wurde. Auch stehe die Höhe und der Zweck der Zahlung einer Einordnung als Taschengeld entgegen. Der Zweck läge vorliegend nämlich im Kapitalaufbau der Enkelkinder, wofür die Regelmäßigkeit der Zahlungen spräche. Gerade aber auch das Verhältnis zwischen Höhe der Rente und Einzahlungen widerspreche der Annahme einer Anstandsschenkung.
Das OLG Celle hat im vorliegenden Fall nicht hinreichend gewürdigt, dass – auch regelmäßige – Zahlungen an Abkömmlinge mittlerweile üblich sind und zu Unrecht eine Anstandsschenkung verneint. Auf das Urteil und seine Folgen, so lebensfremd es auch erscheinen mag, sollten sich Familien gleichwohl tunlichst einstellen: Sozialversicherungsträger werden, diese Tendenz ist seit langem bekannt, zunehmend versuchen, ihre Kosten auf Abkömmlinge von Bedürftigen abzuwälzen. Die vorliegende Entscheidung verdeutlicht in jedem Fall, wie relevant eine präventive juristische Beratung bei geplanten Schenkungen ist. Im vorliegenden Fall hätte die Rückforderung der Schenkung nämlich – unabhängig davon, ob eine Anstandsschenkung vorliegt oder nicht – vermieden oder jedenfalls verringert werden können, wenn die Schenkung frühzeitiger erfolgt wäre. Denn wenn zwischen dem Eintritt der Bedürftigkeit des Schenkers und der vorhergehenden Schenkung mehr als 10 Jahre liegen, dann ist der Rückforderungsanspruch gesetzlich ausgeschlossen. Nicht nur aus schenkungssteuerlicher Sicht, sondern eben auch aus sozialrechtlicher Sicht macht es daher Sinn, die Vermögensnachfolge frühzeitig anzugehen.
Die Entscheidung ist zwar noch nicht rechtskräftig, die Revision zum BGH wurde aber zunächst nicht zugelassen.
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