5. November 2018
Schiedsgerichte stellen im Zusammenhang mit wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten häufig eine sinnvolle Institution dar. Doch wie sieht es bei der Behandlung von gesellschaftsrechtlichen „Klassikern“, konkret Streitigkeiten rund um Beschlussmängel aus? THEOPARK-Partner Gernot Giesecke erläutert in diesem Beitrag anhand aktueller Rechtsprechung, wann Konstellationen in diesem Bereich problematisch sein können und zeigt Handlungsbedarf und Lösungsmöglichkeiten auf.
Im Rahmen unserer Artikelreihe zur Schiedsgerichtsbarkeit erläuterten THEOPARK-Partner Alexander Saueracker und Gernot Giesecke bereits, wann Schiedsgerichte generell eine Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit darstellen können und im Speziellen, wann eine Schiedsvereinbarung für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten ein sinnvolles Instrument bilden kann. Darüber hinaus stellte THEOPARK-Partner Gernot Giesecke in einem weiteren Artikel dar, um was es sich bei sogenannten „Beschlussmängelstreitigkeiten“ handelt.
Im untrennbaren Zusammenhang hierzu steht die in Literatur und Rechtsprechung umstrittene Frage, ob auch diese Beschlussmängelstreitigkeiten schiedsfähig sind, das heißt, vor einem Schiedsgericht entschieden werden können.
1. Was sind Beschlussmängelstreitigkeiten?
Unter Beschlussmängelstreitigkeiten fallen alle Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen oder Beschlüssen anderer Gesellschaftsorgane. Wurde beispielsweise ein Gesellschafter durch Beschluss aus der Gesellschaft ausgeschlossen, ohne dass hierfür eine Rechtsgrundlage bestand, kann er gerichtlich gegen den entsprechenden Beschluss vorgehen.
Nach Aktienrecht können festgestellte Hauptversammlungsbeschlüsse, die nicht bereits nichtig sind, angefochten und durch entsprechendes Urteil beseitigt werden – die entsprechenden Vorschriften werden auch auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung angewendet.
2. Problemaufriss
Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass – abgesehen von dem anfechtenden Aktionär/Gesellschafter und der Gesellschaft – immer auch weitere Aktionäre/Gesellschafter von der Streitigkeit um den Beschlussmangel betroffen sind. Schließlich haben diese in der Regel den Beschluss mitgefasst und/oder sind ebenfalls von dessen Wirkung betroffen.
Wird ein Gesellschafterbeschluss vor einem ordentlichen Gericht erfolgreich angefochten, so wirkt dieses Urteil stets neben der Gesellschaft und den Anfechtenden selbst auch gegen alle Mitgesellschafter (sog. „inter-omnes“-Wirkung). Das Urteil eines Schiedsgerichtes, der sogenannte Schiedsspruch, entfaltet dagegen grundsätzlich nur „unter den Parteien“ des Schiedsverfahrens, das heißt dem anfechtenden Gesellschafter und der Gesellschaft an sich, die Wirkung eines ordentlichen Urteils (sog. „inter-partes“-Wirkung). Würde nun ein Schiedsgericht über den Ausgang einer Beschlussmängelstreitigkeit entscheiden, stellt sich die Frage, ob auch die übrigen Gesellschafter den Schiedsspruch gegen sich gelten lassen müssten und damit weiter, ob eine solche Streitigkeit überhaupt vor ein Schiedsgericht gebracht werden kann.
3. Rechtsprechung zur Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten
Mit dieser Fragestellung beschäftigte sich der Bundesgerichtshof in den vergangenen Jahren in drei Urteilen („Schiedsfähigkeit I-III“). Während er in seinem ersten Urteil die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten zunächst ablehnte, da ihm hierfür eine tragfähige gesetzliche Grundlage fehlte („Schiedsfähigkeit I“, BGH BeckRS 9998, 166908), entwickelte er die Rechtsprechung zu dieser Frage später in einem zweiten Urteil weiter („Schiedsfähigkeit II“, BGH BeckRS 2009, 11942). Hierin bejahte der BGH die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten – bezogen auf eine GmbH – dem Grunde nach, sofern und soweit die entsprechende Schiedsvereinbarung gewisse formelle und inhaltliche Mindestanforderungen erfüllt. In einem dritten Urteil im Jahr 2017 („Schiedsfähigkeit III“, BGH BeckRS 2017, 109571) bestätigte der BGH dies noch einmal und erklärte dabei die für die GmbH entwickelten Grundsätze in gewissem Maße auf Personengesellschaften übertragbar.
Aus diesen drei Urteilen des BGH lassen sich folgende Voraussetzungen für die Anerkennung der Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten ableiten:
4. Rechtslage Kapitalgesellschaften
Bei einer Kapitalgesellschaft kann durch Schiedsklausel in der Satzung oder im Rahmen einer separaten Urkunde vereinbart werden, dass bestimmte Rechtsstreitigkeiten der Gesellschaft einem Schiedsverfahren unterworfen werden. Dies ist die sogenannte Schiedsvereinbarung. Diese muss, um auch Beschlussmängelstreitigkeiten wirksam zu erfassen, dafür Sorge tragen, dass das schiedsgerichtliche Verfahren in gleichwertiger Weise zum staatlichen Rechtsschutz ausgestaltet ist. Die Mindestanforderungen aus dem Urteil „Schiedsfähigkeit II“ umfassen hierzu, dass
Schiedsvereinbarungen, welche diese Voraussetzungen nicht erfüllen, sind nichtig – das entsprechende Verfahren findet dann vor einem ordentlichen Gericht statt.
5. Rechtslage Personengesellschaften
Weniger klar ist die Rechtslage zur Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten in Personengesellschaften. Zwar stellte der BGH in seinem Urteil „Schiedsfähigkeit III“ dar, dass die vorgenannten Mindestanforderungen dem Grundsatz nach auf Personengesellschaften zu übertragen seien. In der Literatur stieß dies allerdings auf harte Kritik. Insbesondere wurde vielfach bemängelt, dass es im Urteil nicht zu einer genaueren Auseinandersetzung mit den Unterschieden zwischen der Beschlussfassung einer Kapital- und Personengesellschaft kam und dass der BGH zwar „kryptische“ Aussagen bezüglich einer Übertragbarkeit der Rechtsgrundsätze getroffen, der Praxis aber keine konkreten Anhaltspunkte zur tatsächlichen Umsetzung an die Hand gegeben habe.
Es ist vor diesem Hintergrund noch nicht abschließend geklärt, inwieweit in der Praxis die aufgestellten Kriterien für Kapitalgesellschaften nun tatsächlich auch auf Personengesellschaften angewendet werden, insbesondere, nachdem das Urteil Abweichungen zulässt, sofern diese gegenüber Kapitalgesellschaften „geboten“ seien, was auch immer dies konkret heißen soll.
6. Fazit
Bei der Gestaltung einer Schiedsvereinbarung in einer Kapitalgesellschaft sollten in jedem Fall die obigen, von der Rechtsprechung eingeführten Kriterien eingearbeitet und beachtet werden, soweit Beschlussmängelstreitigkeiten innerhalb der Gesellschaft tatsächlich schiedsgerichtlich entschieden werden sollen. Bei Schiedsklauseln in Personengesellschaftsverträgen empfiehlt es sich, die weitere Entwicklung in Literatur und vor allem in der Rechtsprechung zu beobachten.
Bereits bestehende Schiedsklauseln sollten – unabhängig von der Rechtsform der betroffenen Gesellschaft – in strenger Orientierung an die bislang zu diesem Thema ergangene Rechtsprechung geprüft und ggf. überarbeitet und angepasst werden.