20. Dezember 2021
Ab dem 01.01.2022 treten umfangreiche Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Kraft: Der deutsche Gesetzgeber hat u.a. das Kaufrecht reformiert. Grund sind die Umsetzung der europäischen Warenkaufrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/771) und der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (Richtlinie (EU) 2019/770). Neuregelungen im Gewährleistungsrecht, Verbrauchsgüterkauf und bei Verträgen zu digitalen Inhalten sorgen damit für Anpassungsbedarf im Bereich B2C und B2B.
THEOPARK-Partner Alexander Saueracker und THEOPARK-Rechtsanwältin Jasmin Huck stellen praxisrelevante Änderungen vor und erläutern, für wen jetzt Handlungsbedarf besteht.
Der Gesetzgeber passt zunächst den Sachmangelbegriff an; das hat hohe praktische Relevanz und führt zu maßgeblichen Änderungen des Gewährleistungsrechtes.
Bisher lag ein Sachmangel vor, wenn die Kaufsache nicht Beschaffenheit hatte, die die Vertragsparteien vereinbart hatten. Hatten die Vertragsparteien keine Beschaffenheit vereinbart, musste man darauf abstellen, ob sich die Kaufsache für die Verwendung eignete, die die Parteien vertraglich vorausgesetzt hatten. Hatten die Vertragsparteien auch keine vertragliche Verwendung vorausgesetzt, war die Sache mangelhaft, wenn sie nicht die objektiven Anforderungen erfüllte, die der Käufer erwarten durfte.
Von nun an muss eine Kaufsache neu definierte subjektive und objektive Anforderungen kumulativ erfüllen, um mangelfrei zu sein. Konkret muss sie subjektiv
und objektiv
Negative Beschaffenheitsvereinbarungen bleiben möglich. Das heißt, dass die Vertragsparteien auch weiterhin vereinbaren können, dass sich eine Kaufsache zum Beispiel keine übliche Beschaffenheit aufweist oder sonst ungewöhnlich ist. Das ist insbesondere bei Sonderanfertigungen oder Gebrauchtwaren relevant. Für solche negativen Beschaffenheitsvereinbarungen gelten nun aber strengere Anforderung, vor allem gegenüber Verbrauchern. Genaue Spezifikationen der Kaufsache vor Vertragsschluss und Vertragsdokumentation werden dadurch noch wichtiger, auch gegenüber Unternehmern.
Verkäufer müssen außerdem ihre Produkte in Zukunft laufend überprüfen, ob sie (noch) der branchen- und produktüblichen Beschaffenheit, also den objektiven Anforderungen entsprechen. Das wird nicht immer einfach und eindeutig zu bestimmen sein.
Daneben hat der Gesetzgeber die Anforderungen an Verkäufer gesteigert, wenn diese Waren an Verbraucher verkaufen. Neu sind hier vor allem folgende Punkte:
Auch die Vorschriften, wonach der Verkäufer Regress bei seinem Lieferanten nehmen kann, wurden entsprechend angepasst. Eine absolute Höchstgrenze der Verjährung (bisher fünf Jahre) gibt es künftig beispielsweise nicht mehr.
Neu eingeführt wurden außerdem explizite Regelungen zu digitalen Produkten und Waren mit digitalen Elementen.
Digitale Produkte sind zum einen digitale Inhalte, also zum Beispiel Softwareanwendungen oder Videodateien; zum anderen sind es digitale Dienstleistungen, wie Datenbanken oder Plattformen. Derartige digitale Produkte sind von nun an von analogen Waren abzugrenzen, da teilweise unterschiedliche Vorschriften greifen.
Für Verträge über digitale Produkte gelten nun eigene Leistungspflichten, ein eigener Mangelbegriff, ein eigenes Gewährleistungsrecht und besondere Pflichten für die Anbieter, wie beispielsweise eine Update-Pflicht. Auch in Bezug auf digitale Produkte gelten besondere Verbraucherschutzvorschriften. Diese greifen nun auch dann, wenn der Verbraucher nicht in Geld, sondern „in personenbezogenen Daten“ bezahlt.
Weitere Rechtsgebiete, wie Miet-, Dienst- und Schenkungsrecht wurde jeweils an die neuen digitalen Produkte angeglichen. Bei Vertragsgestaltungen zu digitalen Produkten oder Waren mit digitalen Elementen jeglicher Art sollten Sie fortan also gänzlich neue Vorschriften berücksichtigen.
Auf Kaufverträge, die vor dem 01.01.2022 abgeschlossen wurden, ist das „alte Kaufrecht" anwendbar, d.h. die Vorschriften des BGB in der bis 31.12.2021 geltenden Fassung. Für Verträge, die ab dem 01.01.2021 abgeschlossen werden, gelten die Neuregelungen.
Eine Ausnahme besteht für Verbraucherverträge über digitale Produkte, die vor dem 01.01.2022 abgeschlossen wurden, wenn die Bereitstellung des digitalen Produktes erst ab dem 01.01.2022 erfolgt: Hier ist überwiegend neues Recht anwendbar.
Die Neuregelungen führen zu einer Vielzahl von Änderungen in Recht und Praxis. Wir empfehlen Ihnen daher dringend, sich mit den Neuerungen auseinanderzusetzen und zu prüfen, ob ihr Geschäftsmodell betroffen ist.
Relevant dürfte die Reform vor allem dann sein, wenn Sie
und/oder
Jedenfalls in diesen Fällen sollten Sie ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsmuster prüfen und anpassen. Dabei können Sie auch direkt weitere Änderungen einarbeiten, die Anfang bis Mitte 2022 in Kraft treten, wie zum Beispiel die geänderten Maximallaufzeiten und Kündigungsmöglichkeiten für Verträge mit Verbrauchern aus dem „Gesetz für faire Verbraucherverträge". Sollten Sie selbst nicht Hersteller der Waren sein, empfehlen wir Ihnen, zusätzlich die entsprechenden Lieferantenverträge zu kontrollieren.
Ansprechpartner:
Alexander Saueracker, Rechtsanwalt, Partner
THEOPARK Rechtsanwälte und Steuerberater Part mbB
Tel.: +49 (9 11) 50 96 17 40
E-Mail: alexander.saueracker@theopark.com
Jasmin Huck, Rechtsanwältin, Associate
THEOPARK Rechtsanwälte und Steuerberater Part mbB
Tel.: +49 (9 11) 50 96 17 34
E-Mail: jasmin.huck@theopark.com